OGH-Rechtsprechung: Wichtige Beweiserleichterung zur Schenkungsabsicht im Pflichtteilsrecht
Rechtliche Auseinandersetzungen rund um den Nachlass eines Verstorbenen sind keine Seltenheit, besonders dann, wenn Angehörige das Gefühl haben, dass sie nicht ausreichend berücksichtigt wurden. In solchen Fällen kommen Pflichtteilsansprüche ins Spiel. Die Höhe von Pflichtteilsansprüchen hängt oft von der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen ab, welche vom Verstorbenen vor seinem Tod gemacht wurden. Durch den erfolgreichen Beweis solcher Schenkungen können Pflichtteilsansprüche deutlich höher ausfallen. Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung (OGH 19.11.2024, 2 Ob 248/23v) sollte die Erbringung solcher Nachweise künftig einfacher werden.
Im zugrunde liegenden Fall hatten der verstorbene Erblasser und seine Ehefrau ihren Weinbaubetrieb mittels Übergabevertrag an den Geschenknehmer übertragen. Im Gegenzug verpflichtete sich dieser zu diversen Gegenleistungen, wie etwa die Übernahme von Kreditverbindlichkeiten oder die Zahlung einer monatlichen Rente.
Da die Verlassenschaft folglich nicht mehr zur Deckung von Pflichtteilen fähig war, klagten die pflichtteilsberechtigten Kinder des Erblassers den Geschenknehmer auf Zahlung des Fehlbetrags. Ihrer Ansicht nach stellte der Rechtsvorgang eine gemischte Schenkung dar.
Während die Vorinstanzen die Klage noch wegen mangelnden Nachweises einer Schenkungsabsicht abwiesen, hob der OGH die Vorentscheidungen auf und stellte klar: Bei Vorliegen eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ist ein Anscheinsbeweis zum Nachweis der Schenkungsabsicht zulässig.
Relevanz der Entscheidung für Pflichtteilsverfahren
Gem §§ 781 ff ABGB sind Schenkungen des Erblassers auf Verlangen der Pflichtteilsberechtigten der Verlassenschaft hinzuzurechnen, womit der an die Pflichtteilsberechtigten zu leistende Pflichtteil erhöht wird. Reicht das Vermögen in der Verlassenschaft nicht aus, um die Pflichtteile zu decken, können Pflichtteilsberechtigte zudem den Geschenknehmer hinsichtlich der Zahlung des Fehlbetrags in Haftung nehmen (§ 789 ABGB).
Es liegt somit im Interesse des Pflichtteilsberechtigten eine pflichtteilserhöhende Schenkung zu Lebzeiten nachzuweisen, um letztlich die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche (gerichtlich) durchsetzen zu können. Hierfür bedarf es des Nachweises der allgemeinen Voraussetzungen einer Schenkung: die objektive Bereicherung des Geschenknehmers, das Fehlen einer Leistungsverpflichtung des Geschenkgebers (Freiwilligkeit) sowie die Schenkungsabsicht des Geschenkgebers (Freiwilligkeit) (vgl RIS-Justiz, RS0018795, RS0018833). Das gilt auch für den im gegenständlichen Urteil relevanten Fall der sogenannten gemischten Schenkung (RIS-Justiz, RS0019356), also wenn sich ein Vertrag aus entgeltlichen und unentgeltlichen Teilen zusammensetzt.
Bislang wurde in Fällen zu gemischten Schenkungen seitens der Rechtsprechung (oftmalig und nicht einheitlich) angenommen, dass das Missverhältnis zwischen den Leistungen nur ein Indiz für eine Schenkungsabsicht darstellt und nicht ausreicht, um diese tatsächlich nachzuweisen. Die Schenkungsabsicht musste explizit nachgewiesen werden. Die vorliegende Entscheidung des OGH erlaubt hingegen ausdrücklich den Anscheinsbeweis als Beweiserleichterung für schutzwürdige Dritte (insb Pflichtteilsberechtigte), wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Der Anscheinsbeweis ermöglicht es, aus typischen Erfahrungswerten auf das Vorliegen einer Schenkungsabsicht zu schließen.
Fazit und Praxisaussicht
Im Rahmen der anwaltlichen Praxis stellte der Nachweis der Schenkungsabsicht bisher regelmäßig eine erhebliche Beweishürde dar, welche die erfolgreiche Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen erschweren konnte. Dies auch wegen der bislang strengen Rechtsprechung des OGH, welche die Feststellung der subjektiven Schenkungsabsicht in einzelnen Fällen praktisch verunmöglichte.
Die aktuelle Entscheidung des OGH stellt eine Beweiserleichterung für Pflichtteilsberechtigte dar, die den tatsächlichen Beweismöglichkeiten im alltäglichen Leben Rechnung trägt. Demnach wird nunmehr ein Anscheinsbeweis für die Feststellung der erforderlichen Schenkungsabsicht zugelassen, wenn ein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Diese Rechtsprechungslinie kann dazu beitragen, das Vorliegen von Schenkungen leichter nachzuweisen und Pflichtteilsberechtigten zur erfolgreichen Geltendmachung ihrer Ansprüche zu verhelfen.
Florian Mikula | Rechtsanwaltsanwärter – f.mikula@gibelzirm.com
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