David Stockhammer
Rechtsanwalt

Der Kunstnachlass

Niemand gestaltet gerne für das Vergessen. Das Bewahren, Erfassen und Pflegen der Nachlässe von Künstlern hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dieser Artikel setzt sich mit diversen Fragen eines künstlerischen Nachlasses auseinander.

Wie „vermache“ ich meinen künstlerischen Nachlass meiner Nachwelt?

Der Künstler sollte sich zu Lebzeiten gut überlegen, in welcher Form er seinen Künstlernachlass für die Nachwelt bewahren und geordnet übergeben möchte. Hier stehen neben dem Testament vor allem auch die Gründung einer Stiftung sowie Vereine zur Verfügung. Die geeignete Wahl wird davon abhängen, welche Erträge zu erwarten sind. Sind hohe Erträge zu erwarten, wird die Wahl häufig zugunsten einer Stiftung ausfallen. Mit der wachsenden Bedeutung des Kunstmarktes unter einer sich drastisch verändernden Museumslandschaft hat in den vergangenen Jahren die Gründung von entsprechenden Stiftungen auch rasant zugenommen.

Warum eine Stiftung?

Den Künstlern geht es häufig um die Möglichkeit, das künstlerische Œuvre in einer adäquaten, d.h. einer dem Werk gerechten Form zu hinterlassen. Bei Sammlern wiederum besteht regelmäßig der Wunsch, die nicht selten mit viel Liebe und Sachverstand zusammengetragene Kunstsammlung als solche zu erhalten und sie gegebenenfalls auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit der Errichtung einer Privatstiftung kann man diesen Wünschen gerecht werden; die „Künstlerstiftung“ hat nachstehende Vorteile:

  • Das Werk bzw. die Sammlung kann langfristig zusammengehalten werden und wird (etwa durch die Erbfolge) nicht „zerstreut“;
  • Der vom Stifter festgehalte Stiftungszweck ist bindend umzusetzen:
  • Die Verwaltung der Kunst wird der Verfügungsgewalt der hiezu oftmals nicht berufenen Erben entzogen.

Aus all diesen Gründen ist die Errichtung einer Privatstiftung ein häufiges Instrument zur Bewahrung und des gezielten Einsatzes von Kunstgegenständen.

Was ist bei der Errichtung von Kunststiftungen alles zu beachten?

Der Zweck. Das gewidmete Vermögen muss mindestens EUR 70.000,00 betragen, der Sitz der Stiftung muss in Österreich liegen. Stiftungen können nicht Selbstzweck sein: Eine gemeinnützige Stiftung muss auf gemeinnützige oder mildtätige Zwecke ausgerichtet sein, bei der Privatstiftung bedarf es auch eines Zwecks, welcher über die Verwaltung des Stiftungsvermögens hinausgeht. Bei Kunststiftungen wird der Zweck sinnvollerweise oftmals auf „die Erhaltung und Betreuung des künstlerischen Werkes durch Ausstellungen, Leihgaben, Verfassung von Werkverzeichnissen etc.“, „die Wahrung von Urheberrechten“, „die Förderung von jungen Künstlern“ gerichtet sein.

Die Stiftungserklärung. Die Errichtung einer Privatstiftung setzt die formgültige Errichtung der Stiftungserklärung voraus. Es kann sich um eine Errichtung unter Lebenden handeln oder um eine Stiftung auf den Todesfall. Letztere setzt eine letztwillige Verfügung voraus. Die Privatstiftung „entsteht“ mit Eintragung im Firmenbuch. Die Stiftungsurkunde ist das im Firmenbuch öffentlich einsehbare Dokument einer Stiftung und hat einen gesetzlich festgelegten Mindestinhalt aufzuweisen. Darüberhinausgehende Inhalte werden regelmäßig in eine Stiftungszusatzurkunde aufgenommen, welche dem Firmenbuchgericht nicht vorgelegt werden muss, weil an einer Offenlegung aller Details, wie etwa über namentlich bezeichnete Begünstigte, kein gerechtfertigtes Interesse der Öffentlichkeit besteht. Aus diesem anerkannten Geheimhaltungsinteresse der Privatstiftung hinsichtlich der Stiftungszusatzurkunde folgt auch, dass Stiftungen in der gängigen Praxis über das gesetzlich festgelegte Mindestmaß hinausgehendes Vermögen mit weiteren Urkunden („Widmungserklärungen“) gewidmet wird.

Für die Errichtung der Stiftungserklärung ist die Form des Notariatsakts einzuhalten. Auf die genaue Einhaltung der Form – auch bei Zuwendungen nach Errichtung der Stiftung – ist das nötige Augenmerk zu legen, wie der Fall des bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Österreichs, Franz West, gelehrt hat.

Das Pflichtteilsrecht. Der Tod eines Stifters berührt die Privatstiftung grundsätzlich nicht in ihrem Bestand; das Stiftungsvermögen ist von der Verlassenschaft des Stifters getrennt. Allerdings können die Zuwendungen an die Stiftung ebenso wie die Einräumung einer Begünstigtenstellung im Rahmen des Pflichtteilsrechts zu beträchtlichen Hinzu- und Anrechnungen führen.

Zuwendungen an eine Privatstiftung sind pflichtteilsrelevant, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen erfolgt sind. Maßgeblich ist dabei die sog. „Vermögensopfertheorie“, nach welcher die Zuwendung dann noch nicht erfolgt ist, wenn sich der Stifter eine eigentümerähnliche Stellung zurückbehalten hat (etwa, wenn der Stifter die Vermögenswidmung rückgängig machen kann, zB durch ein Widerrufsrecht oder ein umfassendes Änderungsrecht). 

Die Organe. Jede Privatstiftung muss über einen Stiftungsvorstand verfügen, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht (der Stifter kann dem Vorstand auch angehören, sofern er nicht zugleich Begünstigter ist). Oft sind hier Freunde des Künstlers, Galerien/Kunsthändler, Kuratoren, Museumsdirektoren, Anwälte und Steuerberater vertreten, wobei je nach Phase (der Verwaltung) des Nachlasses unterschiedliche Personen wichtig sind. Eine ausgewogene und zu Lebzeiten vorgenommen Besetzung kann ebenfalls so mancher Streitigkeit entgegenwirken.

Wie lange soll der Nachlass „leben“?

Letztlich sollte auch überlegt werden, wie lange ein Künstlernachlass selbst leben sollte. Hier wird oftmals das sog Sunset-Modell gewählt. Dieses sieht vor, dass nach einem gewissen Zeitraum der Nachlass zur Gänze der Kunstgeschichte übergeben wird, der Nachlass hat somit ein bestimmtes Ende, wenn die Ziele, wie zB Erstellung des Archivs oder Werkverzeichnisses oder der Ablauf des Urheberrechts, erreicht sind.

Fazit

Bei einem künstlerischen Nachlass stellen sich eine Vielzahl von rechtlichen Fragen. Sie reichen von der Planung und Strukturierung der Vermögensnachfolge bis hin zu pflichtteilsrechtlichen Anrechnungsfragen. Eine vorausschauende Planung der Vermögensübergabe ist für den Zusammenhalt des künstlerischen Œuvre unerlässlich.

Bild: © Matthew T Rader, RgicPdBNAHo | unsplash.com