Georg Männl
Rechtsanwalt
Milka Miličić
Rechtsanwaltsanwärterin

COVID-19 | Vertragserfüllung

In den vergangenen Wochen wurde unsere Kanzlei tagtäglich mit zwei unterschiedlichen Problemstellungen konfrontiert, die sich bei fast jedem Unternehmen auftun. Einerseits gibt es zahlreiche Unternehmen, die in Folge der COVID-19-Pandemie ihre Verträge nicht erfüllen können. Dies kann daran liegen, dass die Geschäftslokale behördlich geschlossen wurden. Es kann aber auch daran liegen, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter bestmöglich schützen möchten und daher freiwillig auf Kundentermine verzichten. Gleichzeitig gibt es aber auch regelmäßig die Situation, dass ein Vertragspartner noch erfüllen möchte, der andere Vertragspartner die Leistung aber nicht entgegen nehmen möchte oder kann.

Gläubigerverzug:

Will zB ein Lieferant eine Sache zustellen und lehnt dies der Besteller ab, so gerät der Besteller in Gläubigerverzug. Dies hat zur Folge, dass die Gefahr für eine zufällige Beschädigung oder auch einen Diebstahl auf den Besteller übergeht. Der Besteller muss das Entgelt trotzdem bezahlen, bekommt aber keine oder nur noch eine beschädigte Leistung. Hat der Schuldner weiters Kosten, die durch die spätere Lieferung entstehen und die sich nicht vermeiden lassen (Lagerkosten bei einem Dritten), so kann er diese vom Besteller verlangen.

Schuldnerverzug | Konsequenzen:

Für zahlreiche Unternehmen wurde die Leistungserbringung aufgrund der massiven Beschränkungen infolge der COVID-19-Krise temporär eingeschränkt oder zur Gänze verunmöglicht, sodass diese in Schuldnerverzug geraten. Sie stellen sich nun vor allem die Frage, ob der Vertragspartner vom Vertrag zurücktreten kann. Für den Fall eines Schuldnerverzuges sieht § 918 ABGB vor, dass der Gläubiger nach Setzung einer angemessenen Frist vom Vertrag zurücktreten kann. Diese Rücktrittsmöglichkeit besteht unabhängig davon, ob der Verzug vom Schuldner schuldhaft verursacht wurde (subjektiver Schuldnerverzug) oder etwa auf höhere Gewalt zurückzuführen ist (objektiver Schuldnerverzug). Gerade in der aktuellen Situation ist der Verzug - in meisten Fällen - nicht schuldhaft verursacht. Vertragspartner können nach den gesetzlichen Regelungen dennoch vom Vertrag zurücktreten. Fraglich ist allerdings, ob die COVID-19-Krise bei der Beurteilung der Angemessenheit der Nachfrist zu berücksichtigen ist, was nach unserer Ansicht grundsätzlich zu bejahen ist.

Weiters stellt sich in einzelnen Fällen auch die Frage, ob Unternehmen unter Setzung entsprechender Maßnahmen die Verzögerung verhindern konnten. Bejahendenfalls wäre hier von einem schuldhaft verursachten Verzug (subjektiver Schuldnerverzug) auszugehen. Bei einem subjektiven Schuldnerverzug sind Vertragspartner gemäß § 918 ABGB nicht nur zum Vertragsrücktritt berechtigt, sondern auch zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.

Im Zusammenhang mit einem Verzug stellen auch Pönalevereinbarungen ein wichtiges Thema dar. Befindet sich ein Vertragspartner in einem schuldhaft verursachten Verzug, hat er dem anderen – sofern vertraglich vereinbart – entsprechende Pönalezahlungen zu leisten. Fallweise wird bei einer Pönalevereinbarung nicht differenziert, ob es sich um einen objektiven oder subjektiven Verzug handeln muss. Pönalevereinbarungen sind unter bestimmten Voraussetzungen auch für den Fall eines objektiven Verzugs zulässig, oftmals werden sie jedoch als sittenwidrig beurteilt.

Da viele Verträge und AGB Vorschriften enthalten, die das Recht zum Rücktritt regeln, müssen diese immer zunächst geprüft werden. Tückisch ist jedoch, dass manche Regelungen unwirksam sein können, wenn sie die gesetzlichen Rücktrittsrechte übermäßig beschränken.

Sofern Sie Unterstützung bei der Prüfung der Ihnen zustehenden Rücktrittsrechte oder Vertragsverfüllungspflichten benötigen oder darüber hinausgehende Informationen wünschen, ist unser Team gerne jederzeit für Sie und Ihr Unternehmen da.

Georg Männl | Rechtsanwalt - g.maennl@gibelzirm.com

Milka Miličić | Rechtsanwaltsanwärterin - m.milicic@gibelzirm.com

 

Bild: © Helloquence | unsplash.com