Gewährleistungsrecht neu!
Am 1.1.2022 treten in Österreich Neuerungen zum Gewährleistungsrecht in Kraft, die auf alle ab diesem Tag neu abgeschlossenen Verträge anwendbar sind.
Das neue Gesetzespaket wurde vergangene Woche im Nationalrat beschlossen und wird zwei europäische Richtlinien, die Warenkauf-Richtlinie und die Digitale-Inhalte-Richtlinie, in Österreich umsetzen. Die Umsetzung erfolgt durch das Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz („GRUG“) welches die Einführung des gänzlich neuen Verbrauchergewährleistungsgesetz („VGG“) sowie Anpassungen im bereits bestehenden Konsumentenschutzgesetz („KSchG“) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch („ABGB“) vorsieht.
Damit steht ein neues europäisches Gewährleistungsrecht vor der Tür, das im Überblick folgende wesentliche Neuerungen mit sich bringt:
Die wohl größte Veränderung bringt das Verbrauchergewährleistungsgesetz mit, welches das Kernstück des neuen Gesetzespakets darstellt.
Das VGG gilt ausschließlich im B2C-Bereich und ist, mit wenigen Ausnahmen, auf
- Kauf- und Werklieferungsverträge von beweglichen Sachen sowie
- Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen gegen Zahlung oder Überlassung personenbezogener Daten
anwendbar. Es wird daher in Zukunft eine Abgrenzung vorzunehmen sein, ob auf ein Vertragsverhältnis das Gewährleistungsrecht des VGG oder des ABGB anzuwenden ist.
Das VGG sieht einige neue Pflichten für Unternehmen vor. So ist beispielsweise in § 7 VGG eine Aktualisierungspflicht geregelt, damit Waren mit digitalen Elementen und Inhalten dauerhaft dem Vertrag entsprechen. Hier ist zu unterscheiden: Die Aktualisierungspflicht besteht bei fortlaufenden Verträgen über die gesamte Zeit der Bereitstellung, zumindest aber für 2 Jahre nach Übergabe. Bei einmaliger Bereitstellung ist die Aktualisierungspflicht für einen vernünftigerweise erwartbaren Zeitraum geschuldet.
Neu ist im Anwendungsbereich des VGG weiters, dass die sogenannte Vermutungsfrist für Mängel erweitert wird: Bei Verträgen über eine einmalige Leistung wird bis zu 12 Monate (statt 6 Monate) vermutet, dass der Mangel im Zeitpunkt der Übergabe schon vorgelegen ist. Bei fortlaufenden digitalen Leistungen trifft den Unternehmer während des Bereitstellungszeitraums überhaupt die Beweislast, dass er den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hat.
Weiters sind im VGG Gewährleistungsfristen vorgesehen, die vom jeweiligen Leistungsgegenstand abhängig sind: Für Waren bleibt es bei der ursprünglichen Gewährleistungsfrist von 2 Jahren ab Übergabe. Für Waren mit digitalen Elementen umfasst die Gewährleistungsfrist den gesamten Bereitstellungszeitraum, mindestens aber 2 Jahre ab Übergabe und bei fortlaufenden digitalen Leistungen den gesamten Bereitstellungszeitraum.
Neu im Zusammenhang mit Sachmängeln ist, dass ab dem Ablauf der Gewährleistungsfrist eine zusätzliche dreimonatige Verjährungsfrist hinzutritt, innerhalb der der Mangel gegebenenfalls gerichtlich geltend gemacht werden muss. Zudem können die Gewährleistungsbehelfe der Preisminderung und der Vertragsrücktritt vom Verbraucher künftig formfrei durch außergerichtliche Erklärung geltend gemacht werden.
Auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch werden einige Neuerungen vorgenommen. Dies betrifft beispielsweise die Erweiterung der Verjährungsfrist um drei Monate, die dem VGG nachempfunden ist. Außerdem beginnt die dreijährige Verjährungsfrist bei unbeweglichen Sachen künftig erst ab Bekanntwerden des Mangels zu laufen.
Die neuen Bestimmungen werden in der praktischen Umsetzung mit Sicherheit noch zahlreiche Fragen aufwerfen. Vor allem die neuen Aktualisierungspflichten werden viele Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen und erhebliche Mehraufwände mit sich bringen. Unser Team unterstützt Sie gerne bei der Umsetzung und sämtlichen darüber hinausgehenden Rechtsfragen.
Julia Gaggl | Rechtsanwaltsanwärterin – j.gaggl@gibelzirm.com
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