Neue Entscheidung des Landesgericht Graz zu Wertsicherungsklauseln entschärft OGH-Judikatur
Wenige Entscheidungen des OGH in den letzten Jahren haben derart viel Aufsehen erregt, wie die Judikatur zu mietvertraglichen Wertsicherungsklauseln.
Bereits im März 2023 hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 2 Ob 36/23t (wiederholt) ausgesprochen, dass auch mietvertragliche Wertsicherungen an § 6 Abs 2 Z 4 KSchG zu messen sind. Diese Bestimmung erklärt Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Verbraucher für unwirksam, nach denen bereits in den ersten zwei Monaten ab Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten kann (es sei denn, die Klausel wurde im Einzelnen ausgehandelt). Der OGH erklärte somit in diesem Zusammenhang, dass eine Wertsicherungsklausel, welche eine Indexanpassung in den ersten beiden Monaten ab Vertragsschluss nicht ausdrücklich ausschließt, unzulässig sei.
Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion, das eine absolute Nichtigkeit verbraucherrechtlicher Klauseln zur Folge hat, schien das Schicksal einer Unzahl von Wertsicherungsklauseln besiegelt zu sein.
Umso mehr fällt daher nun der Blick auf jene Individualprozesse im Zuge derer die Bezirks-, Landes- und Oberlandesgerichte, die vom OGH festgelegten Grundsätze auf individuelle Klauseln anwenden. In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist die (rechtskräftige) Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu 5 R 131/24g vom 16.10.2024. Auch hier fehlte es in der Wertsicherungsvereinbarung an einem ausdrücklichen Ausschluss einer Anhebung in den ersten zwei Monaten ab Vertragsabschluss. Das Landesgericht erklärte jedoch, dass die Wertsicherungsklausel dennoch wirksam sei, zumal der Stichtag des Ausgangsindex nur 2 Monate zurücklag und insofern keine Gefahr bestand, dass Preissteigerungen aus der Zeit vor Abschluss des Mietvertrags in den ersten beiden Monaten zu einer Preissteigerung führten. Ebenso gewichtig sei laut Landesgericht der Umstand, dass es in der tatsächlich gelebten Vertragspraxis keine Erhöhung innerhalb der ersten beiden Monate gegeben habe.
Dass das Landesgericht in diesem Fall von den eher absoluten Kategorien des Konsumentenschutzrechtes abgewichen ist und auf die tatsächlich gelebte Praxis Rücksicht genommen hat, ist durchaus bemerkenswert. Ebendiese Sichtweise dürfte sich jedoch mit der Rechtsprechung des OGH decken, welcher in 4 Ob 4/23a (hier in Zusammenhang mit Zinsgleitklauseln bei Fremdwährungskrediten) ausgesprochen hat, dass auch im Anwendungsbereich des KSchG stets auf die „praktische Handhabe“ einer konkreten Klausel Bedacht zu nehmen sei.
Es bleibt spannend, inwiefern diese Grundsätze die „Klauseljudikatur“ formen und beeinflussen.
Benjamin Hohenberger | Rechtsanwaltsanwärter – b.hohenberger@gibelzirm.com
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