Martin Thiem
Rechtsanwaltsanwärter

Nachrüstungsverpflichtung für Gebäudeeigentümer zur Errichtung von E-Ladepunkten

Ein klarer Fokus der Landesgesetzgebung der Stadt Wien liegt auf dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel. Langfristig soll die Stadt Wien klimaneutral sein. Auch auf Bundesgesetzebene gibt es entsprechende Anstrengungen: Unlängst wurde das Wohnungseigentumsgesetz (WEG 2002) geändert, wodurch unter anderem die Installation von Balkonkraftwerken erleichtert wurde (vgl den Artikel von Zirm und Lola vom 25.09.2024). Diese Klimaschutzmaßnahmen machen auch vor dem Wiener Garagengesetz 2008 keinen Halt. Bislang bestand schon die Pflicht, bei der Errichtung von Neubauten, die über mehr als zehn Stellplätze verfügen, für jeden zehnten Stellplatz mindestens einen E-Ladepunkt zu errichten. Diese Verpflichtung gilt sowohl beim Neubau von Nicht-Wohngebäuden als auch beim Neubau von Wohngebäuden. Nun müssen auch Eigentümer von bereits bestehenden Gebäuden nachrüsten.

Novelle des Wiener Garagengesetzes 2008

Im Zuge der Wiener Baurechtsnovelle 2023 wurde nicht nur die Bauordnung für Wien, sondern auch das Wiener Garagengesetz 2023 geändert. Neben der Pflicht der Errichtung von E-Ladepunkten bei Neubauten besteht nun auch eine Nachrüstpflicht von bestehenden Gebäuden. Diese Verpflichtung gilt jedoch nur für Nichtwohngebäude, worunter Gebäude fallen, die nicht überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden. Demnach müssen Eigentümer von bereits bestehenden Nichtwohngebäuden, die über mehr als 20 Stellplätze verfügen, bis zum 01.01.2030 für jeden zehnten Stellplatz mindestens einen E-Ladepunkt errichten. Ihren Ursprung findet diese Verpflichtung in den Vorgaben der EU-Richtlinie 2018/844, deren Ziel es unter anderem ist, den Ausbau der E-Mobilität zu fördern und die dazu erforderliche Infrastruktur zu schaffen.

Wenn das betreffende Gebäude im Miteigentum mehrerer steht, ist bei der Umsetzung dieser Vorgaben folgendes zu beachten: Wenn sich ein Wohnungseigentümer freiwillig dazu entscheidet, auf seinem Stellplatz einen E-Ladepunkt zu errichten, sieht § 16 Abs 5 WEG ein vereinfachtes Verfahren vor: Demnach ist keine ausdrückliche Zustimmung der anderen Eigentümer erforderlich, es ist bereits ausreichend, wenn die anderen Eigentümer dem Vorhaben nicht innerhalb von zwei Monaten widersprechen. Auch wenn die Errichtung der E-Ladestation nicht von einem einzelnen Eigentümer angestrengt wird, ist die Umsetzung nicht von der Zustimmung sämtlicher Eigentümer abhängig: Denn die Umsetzung von öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, wozu die Vorgaben des Wiener Garagengesetzes 2008 zählen, sind gemäß § 28 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 3 Abs 2 Z 4 MRG im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zu erledigen.

Wenn sich aber kein Wohnungseigentümer freiwillig zu Errichtung einer E-Ladestation auf seinem Stellplatz entscheidet, stellen sich einige Folgefragen. Welcher Miteigentümer soll auf Kosten aller Miteigentümer von einem E-Ladepunkt an seinem Stellplatz profitieren? Oder falls kein Miteigentümer an einem E-Ladepunkt interessiert ist: Welcher Miteigentümer muss die Errichtung eines E-Ladepunkts und die daraus resultierende Nichtbenutzbarkeit seines Stellplatzes dulden? Wer trägt die laufenden Stromkosten der E-Ladepunkte?

Folgen bei Nichtentsprechen

Eigentümer eines Gebäudes können sich dieser Verpflichtung auch nicht dadurch entziehen, indem sie eine Ausgleichsabgabe leisten. Ein Freikauf ist gerade nicht vorgesehen.

Die Nichterfüllung dieser Nachrüstungsverpflichtung bis zum 01.01.2030 stellt eine Verwaltungsübertretung dar, wofür hohe Strafen vorgesehen sind. Gemäß § 57 Abs 2 Wiener Garagengesetz 2008 gelten nämlich die Strafbestimmungen der Wiener Bauordnung. Diese sieht bei Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro vor. Bei Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen vorgesehen. Eigentümer eines Nicht-Wohngebäudes sind daher gut beraten, rechtzeitig mit der Umsetzung zu beginnen.  

 

Martin Thiem | Rechtsanwaltsanwärterm.thiem@gibelzirm.com

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