Die WEG-Novelle 2022
Ziemlich genau 20 Jahre nach seiner letzten großflächigen Erneuerung kommt wieder frischer Wind in das österreichische Wohnungseigentumsgesetz. Die vergangenen Dezember im Nationalrat beschlossene Gesetzesnovelle steht unter dem Stern des Klimaschutzes und der Digitalisierung. Sie ist zum einen Teil bereits mit 1.1.2022 in Kraft getreten. Der ganz wesentliche zweite Teil wird jedoch erst per 1.7.2022 in Kraft treten. Dabei freut es uns besonderes, dass sich mehrere KollegInnen unserer Kanzlei intensiv mit dem Thema auseinandersetzt haben.
Mag. Georg Männl, Rechtsanwalt und Partner, und Benjamin Hohenberger, juristischer Mitarbeiter, haben gemeinsam die Loseblattwerk „Wohnungseigentum- und Bauträgervertragsrecht“ im WEKA Verlag herausgegeben. In einer Reihe von Fachbeiträgen werden aktuelle Judikatur ebenso wie typische Fallstricke bei der Vertragsgestaltung und drohende Haftungsfallen anhand von Beispielen beleuchtet.
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Weiters haben Mag. Georg Männl, Rechtsanwalt und Partner, und Ulrike Prokes, LL.M. MSc., Rechtsanwaltsanwärterin, ein Halbtagesseminar zum neuen Wohnungseigentumsgesetz bei der WEKA-Akademie angeboten und wird aufgrund der großen Nachfragen ein weiterer Termin am 26.4.2022 im Hotel Hilton Plaza stattfinden. Im Zuge dessen werden die Neuerungen und ihre Bedeutung unter anderem anhand von praxisrelevanten Beispielen aus der Rechtsprechung erläutert. Auch hier liegt der Fokus auf der Umsetzung der neuen Regeln durch Hausverwaltungen sowie der Vermeidung von potenziellen Haftungsfallen.
Link zum Seminar:
https://www.weka-akademie.at/das-neue-wohnungseigentumsgesetz-weg-2022/?wan=650730
Im Folgenden werden einige dieser Punkte herausgegriffen, um einen Überblick über die von der Novelle betroffenen Bereiche zu erhalten:
Einige bemerkenswerte neue Bestimmungen finden sich im § 16 WEG, der das Änderungsrecht des Wohnungseigentümers betrifft. Der Gesetzgeber hat hier unter anderem eine „Zustimmungsfiktion“ für gewisse Änderungen geschaffen. Beabsichtigt ein Wohnungseigentümer nun eine Änderung betreffend die Barrierefreiheit der Liegenschaft, die Anbringung einer E-Auto-Ladestation, die Anbringung einer Solaranlage, die Anbringung von Beschattungen oder den Einbau einbruchssicherer Türen so gilt folgendes: Wenn dafür allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden und daher die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer einzuholen ist, so gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die Wohnungseigentümer über eine Dauer von zwei Monaten nicht widersprechen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie hinsichtlich der beabsichtigten Änderung, auf die in § 24 Abs 5 WEG vorgesehene Art und Weise, wirksam verständigt wurden und der Widerspruch wirksam erfolgt.
Der änderungswillige Wohnungseigentümer hat daher zunächst im Rahmen eines Hausanschlages (zB.: schwarzes Brett) über die beabsichtigte Maßnahme zu informieren. Darüber hinaus sind gemäß § 24 Abs 5 WEG alle anderen Wohnungseigentümer postalisch zu verständigen, es sei denn, ein Wohnungseigentümer hat gegenüber der Hausverwaltung ausdrücklich erklärt, er wolle elektronisch verständigt werden. Für den Widerspruch desjenigen Wohnungseigentümers, der sich gegen die Änderung ausspricht, hatte der Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des Gesetzesentwurfes keine Formvorschrift vorgesehen. Das hätte in der Praxis freilich zu massiver Rechtsunsicherheit geführt, weil ein Widerspruch auch mündlich oder per WhatsApp hätte erklärt werden können. In der nunmehr verabschiedeten Fassung der Novelle, sieht § 16 Abs 5 vor, dass der Widerspruch auf Papier oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form zu übermitteln sei. Es ist wohl davon auszugehen, dass E-Mails diese Voraussetzung erfüllen.
Auch Hausverwaltungen sind gut beraten sich mit den Neuerungen auseinanderzusetzen, da deren Pflichten und Aufgaben vielerorts Änderungen unterworfen sind und daher neue Haftungsfallen drohen. So hat der Gesetzgeber nun vorgesehen, dass Wohnungseigentümer – unter bestimmten Voraussetzungen – gegenüber der Hausverwaltung einen Auskunftsanspruch hinsichtlich Namen und Zustellanschriften der übrigen Wohnungseigentümer haben. Dies gilt jedoch – im Einklang mit der strengen Zweckbindung der DSGVO – nur in dem Umfang, in dem der Wohnungseigentümer die Namen und Anschriften zur Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem Wohnungseigentum (genauer gesagt aus dem WEG) benötigt. Zu denken ist hier insbesondere an Verständigungen der übrigen Wohnungseigentümer im Zuge einer Änderungsabsicht im Rahmen des § 16 WEG. Wichtig ist jedoch an dieser Stelle festzuhalten, dass die DSGVO eine strenge Zweckbindung vorsieht und die Namen und Zustelladressen der Wohnungseigentümer nur im Rahmen der Ausübung von Rechten und Gestaltungsmöglichkeiten des WEG Verwendung finden dürfen.
Eine weitere, die Hausverwaltungen treffende Pflicht ergibt sich aus der neuen Mindestdotierung der Rücklage. Während Hausverwaltungen gemäß § 31 Abs 1 WEG bisher nur „eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für künftige Aufwendungen“ zu bilden hatten, hat der Gesetzgeber nun einen individuellen Mindestbetrag festgelegt. Dieser ergibt sich nach dem neuen Absatz des § 31 WEG aus der Multiplikation der Summe der Nutzfläche aller auf der Liegenschaft befindlichen Wohnungseigentumsobjekte mit dem Mindestwert des § 15a Abs 3 Z 4 MRG (derzeit EUR 0,90). Dieser Betrag ist mit dem Verbraucherpreisindex 2020 wertgesichert. Eine Unterschreitung dieser Mindestdotierung sei nach den Gesetzesmaterialien zum neuen WEG 2022 nur dann zulässig, wenn beispielsweise die vorhandene Rücklage ein „besonderes Ausmaß“ aufweist oder gerade eben erst eine „Neuerrichtung oder durchgreifende Sanierung“ stattgefunden hat. Da dies im Grunde reine Ermessensentscheidungen sind, sollten Hausverwaltungen, die beabsichtigen die Mindesthöhe zu unterschreiten, stets einen Mehrheitsbeschluss einholen, der die Rücklage festlegt. Mangels Mehrheitsbeschlusses sollte sodann die Mindestrücklage eingehoben werden, widrigenfalls die Hausverwaltung sich einer Haftung aussetzen könnte.
Eine radikale Umgestaltung findet sich auch im Rahmen der neuen Mehrheiten im Rahmen der Beschlussfassung. Während bisher ein Beschluss nur zustande kam, wenn dieser von jenen Wohnungseigentümern getragen wurde, die zusammen die Mehrheit der Miteigentumsanteile in ihrer Hand vereinen, so ist nun eine Alternative dazu vorgesehen. Wenn sich eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen für den Beschluss ausspricht und darüber hinaus die für diesen Beschluss stimmenden Wohnungseigentümer zusammen mindestens ein Drittel der Miteigentumsanteile in ihrer Hand vereinen, gilt der Beschluss ebenso als angenommen. Der Gesetzgeber widmete sich hier dem „Problem“, dass Beschlüsse oft deswegen nicht zustande kamen, weil ein Großteil der Wohnungseigentümer sich aus Desinteresse nicht an der Beschlussfassung beteiligte, obwohl sie dieser prinzipiell neutral gegenüberstanden.
Die ebengenannten Punkte stellen natürlich nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten Novelle dar.
Georg Männl | Partner – g.maennl@gibelzirm.com
Ulrike Prokes | Rechtsanwaltsanwärterin – u.prokes@gibelzirm.com
Benjamin Hohenberger | juristischer Mitarbeiter – b.hohenberger@gibelzirm.com
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