Georg Männl
Attorney

Geschäftsschließungen aufgrund COVID-19: Schwierige Zeiten für Vermieter und Mieter – eine rechtliche Analyse:

Nationalrat wie auch Bundesregierung haben zuletzt mehrere Maßnahmen beschlossen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Diese einschneidenden Maßnahmen sollen zwar teilweise durch finanzielle Unterstützungen abgemildert werden. Das ist für viele Unternehmen, die Ende März die Gehälter ihrer Mitarbeiter und Anfang April die nächsten Mietzinszahlungen leisten müssen, jedoch nur ein schwacher Trost. Von Bedeutung könnte nun eine Bestimmung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) sein, die aus der Zeit des 1. Weltkriegs stammt. Die sich hieraus ergebende rechtliche Situation ist freilich auch für die Bestandgeberseite eine wahrlich unerfreuliche.

Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses“ nicht mehr oder nur noch teilweise genutzt werden kann, so entfällt gemäß §§ 1104 und 1105 ABGB auch gänzlich oder im Ausmaß der Beeinträchtigung der Mietzins. Damit der Tatbestand erfüllt ist, muss ein von außen stammendes Ereignis vorliegen, auf das weder Mieter noch Vermieter Einfluss haben. Hat der Mieter beispielsweise die Situation selbst verschuldet (behördliche Schließung eines Restaurants wegen hygienemedizinischer Mängel), so muss er den Mietzins unverändert weiterbezahlen.

Nachdem die WHO die Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) mittlerweile offiziell als Pandemie einstuft und weiters in Presseaussendungen von der größten Gesundheitskrise unserer Zeit spricht, sind die §§ 1104 und 1105 ABGB in zahlreichen Fällen erfüllt. Dies betrifft jedenfalls Einkaufsgeschäfte, die aufgrund einer behördlichen Anordnung schließen mussten. Für zahlreiche Unternehmen, die aktuell besonders betroffen sind, bedeutet das eine große Abhilfe, für die Bestandgeberseite aber gleichzeitig potentiell erhebliche Mietzinsausfälle.

Genauer zu betrachten ist jedoch die Situation in Branchen, in denen die Geschäftslokale/Büros nicht aufgrund einer behördlichen (und zwingend einzuhaltenden) Anordnung schließen mussten. Viele Unternehmen haben zuletzt aufgrund des Appells der Bundesregierung freiwillig ihre Büros geschlossen, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter sowie deren Angehörigen zu schützen. Wird ihnen diese Freiwilligkeit nun zum Verhängnis bzw. hätten diese Unternehmen dem Appell nicht folgen dürfen und eine behördliche Schließung provozieren müssen? Diese Betrachtungsweise kann wohl kaum richtig sein; umgekehrt kann die aktuelle Situation aber auch kein Freibrief für alle Mieter sein, eine Mietzinsreduktion geltend zu machen, nur weil Mitarbeiter „Home-Office“ machen.

Richtigerweise ist darauf abzustellen, wie stark die Nutzung des Bestandobjekts (objektiv) beeinträchtigt ist. Wenn daher die Anfahrt für Mitarbeiter mit Risiken verbunden oder unmöglich ist, wenn aufgrund der Lage und Beschaffenheit des Bestandobjekts massive Umsatzeinbußen eintreten oder der Kundenverkehr faktisch nicht mehr stattfindet, so spricht dies für eine Mietzinsreduktion. Maßgeblicher Bedeutung kommt jedoch auch dem Mietvertrag zu: Welchen Zweck und Gebrauch des Mietobjekts haben die Vertragsparteien vereinbart? Haben die Vertragsparteien unter Umständen sogar Regelungen für derartige Situationen vorgesehen? Je nach der Antwort auf diese Fragen ist zu bestimmen, ob eine Mietzinsreduktion zusteht und wenn ja in welcher Höhe.

In jedem Fall muss man aber die Umstände des Einzelfalls und insbesondere den Mietvertrag genau prüfen. Da sich die Judikatur seit den Weltkriegen nur selten mit den §§ 1104 und 1105 ABGB beschäftigt hat, muss man mit dem notwendigen juristischen Fingerspitzengefühl agieren. Es wird bei der Beurteilung dieser Frage jedenfalls Augenmaß gefragt sein und eine faire Interessenabwägung zwischen Bestandnehmer und Bestandgeberseite vorgenommen werden müssen.

 

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