Gesellschaftsrechtliches Update: Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie zur Ermöglichung grenzüberschreitender Umgründungen
Gesellschaftsrechtliche Umgründungsvorgänge, wie etwa Verschmelzung oder Spaltung, stellen insbesondere in Konzernen ein beliebtes rechtliches Instrument zur Schaffung von neuen Unternehmensstrukturen dar. Mit der Richtlinie (EU) 2019/2121 („EU-Mobilitätsrichtlinie“) wollte der Unionsgesetzgeber grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der EU bzw. im EWR ermöglichen. Die EU-Mobilitätsrichtlinie soll nun durch ein neues EU-Umgründungsgesetz in österreichisches Recht umgesetzt werden.
Gesellschaftsrechtliche Umgründungsvorgänge wie Verschmelzung oder Spaltung ermöglichen es einer Gesellschaft, ihr gesamtes Vermögen bei gleichzeitiger Auflösung jedoch ohne Liquidation sowie steuerneutral in eine andere Gesellschaft zu übertragen oder zB einen (Teil-)Betrieb in eine andere Gesellschaft abzuspalten. Solche Maßnahmen sind insbesondere in Konzernen sehr häufig und können etwa der Verschlankung der Konzernstruktur oder Vorbereitung einer M&A-Transaktion dienen.
Grenzüberschreitende Umgründungen waren bislang nur eingeschränkt möglich. Gesetzlich vorgesehen war bisher nur die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (EU-Verschmelzungsgesetz). Darüber hinaus wurde von der Rechtsprechung im Sinne der EU-Niederlassungsfreiheit auch die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung anerkannt. Eine grenzüberschreitende Spaltung war hingegen gesetzlich nicht vorgesehen und bislang nicht möglich. Dies ändert die EU-Mobilitätsrichtlinie, welche bis zum 31.1.2023 in österreichisches Recht umzusetzen war. Die Umsetzung in Österreich erfolgte zwar nicht fristgerecht, ein entsprechender Entwurf zum sogenannten EU-Umgründungsgesetz (EU-UmgrG) bzw zum Gesellschaftsrechtlichen Mobilitätsgesetz (GesMobG), mit dem ua eine Anpassung des Firmenbuchgesetzes erfolgen soll, liegt nun jedoch vor und befindet sich im Begutachtungsstadium.
Nach dem Entwurf soll das EU-Umgründungsgesetz folgende gesellschaftsrechtliche Neuerungen mit sich bringen:
Wie die EU-Mobilitätsrichtlinie sieht auch das nationale Gesetz drei grenzüberschreitende Umgründungsarten vor: Umwandlung, Verschmelzung und Spaltung.
Grenzüberschreitende Umwandlung
Unter dem Begriff der grenzüberschreitenden Umwandlung im Sinne des EU-UmgrG ist eine Umwandlung von Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und dessen Recht unterliegen, in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Kapitalgesellschaft bei gleichzeitiger Sitzverlegung in diesen anderen Mitgliedstaat unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit zu verstehen. Die Umwandlung gemäß EU-UmgrG entspricht sohin dem bisher als grenzüberschreitende Sitzverlegung bezeichneten Vorgang. Das Gesetz differenziert ferner zwischen einer „Hinaus-Umwandlung“ (Sitzverlegung einer österreichischen Kapitalgesellschaft in ein anderes EU- oder EWR-Land) und einer „Herein-Umwandlung“ (Sitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach Österreich). Bei einer Hinaus-Umwandlung soll Gesellschaftern ein gesetzliches Austrittsrecht gegen Barabfindung eingeräumt werden. Eine weitere Neuerung in diesem Zusammenhang stellt die Missbrauchskontrolle der Firmenbuchgerichte dar. Demnach hat das Gericht zu prüfen, ob die Umwandlung mit missbräuchlicher und betrügerischer Absicht, insbesondere zur Umgehung arbeits- oder abgabenrechtlicher Verpflichtungen nach dem Recht des bisherigen Sitzstaates, oder zu kriminellen Zwecken erfolgt.
Grenzüberschreitende Verschmelzung
Die bereits seit 2007 aufgrund des EU-VerschG bestehende Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung bleibt weiterhin aufrecht, wobei das EU-VerschG nach Inkrafttreten des neuen EU-UmgrG außer Kraft treten soll. Eine grenzüberschreitende Verschmelzung stellt eine Verschmelzung von Kapitalgesellschaften dar, bei der zumindest zwei der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Auch hier differenziert das Gesetz zwischen einer „Hinaus-Verschmelzung“ und einer „Herein-Verschmelzung“.
Grenzüberschreitende Spaltung
Nach Umsetzung der Richtlinie soll nun auch eine – bisher rechtlich nicht vorgesehene – grenzüberschreitende Spaltung möglich sein. Eine grenzüberschreitende Spaltung im Sinne des neuen Gesetzes ist eine Spaltung von Kapitalgesellschaften, bei der zumindest zwei der beteiligten Gesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Das EU-UmgrG sieht die Möglichkeit einer Aufspaltung zur Neugründung (Übertragung des gesamten Vermögens auf zwei oder mehrere dadurch neu gegründete Gesellschaften unter gleichzeitiger Auflösung der übertragenden Gesellschaft), einer Abspaltung zur Neugründung (Übertragung eines Teils des Vermögens auf eine oder mehrere dadurch neu gegründete Gesellschaften unter Fortbestehen der übertragenden Gesellschaft) sowie einer Ausgliederung (Abspaltung eines Teils des Vermögens auf eine dadurch neu gegründete Tochtergesellschaft) vor. Die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Spaltung zur Aufnahme (Übertragung des Vermögens in eine bereits bestehende Gesellschaft) ist hingegen nicht vorgesehen. Eine Spaltung zur Aufnahme bleibt somit ausschließlich innerstaatlichen Spaltungsvorgängen nach dem Spaltungsgesetz (SpaltG) vorbehalten.
Die aufgrund der Mobilitäts-RL notwendigen Neuerungen des Gesellschaftsrechts werden in der Praxis insbesondere für internationale Konzerne von wesentlicher Bedeutung sein und zur Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Umgründungsvorgängen beitragen. Wir bieten umfassende Beratung in allen gesellschafts- und umgründungsrechtlichen Angelegenheiten und stehen für diesbezügliche Fragen jederzeit gerne zur Verfügung!
Milka Milicic | Rechtsanwältin – m.milicic@gibelzirm.com
Maximilian Zirm | Partner – m.zirm@gibelzirm.com
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